Ganztagsschule macht Schluss mit Langeweile

Max Rademacher, Philipp Maßloch und Sebastian Armann
(von links) konzentrieren sich auf ihr Schachspiel
Öde Tage für Torgelower Eleven passé
Von unserem Redaktionsmitglied
Brigitta Grunwald

Torgelow. Erste Hilfe, Medien, Selbstverteidigung, Darstellendes Spiel oder Chor, der Stundenplan vieler Schüler des Torgelower Gymnasiums liest sich etwas ungewöhnlich. Und das ist er in der Tat. Mal davon abgesehen, dass diese ausgefallenen Unterrichtsfächer am Nachmittag stattfinden und es jedem Schüler frei steht, daran teilzunehmen. Denn seit Beginn des Schuljahres ist das Kopernikus-Gymnasium eine Ganztagsschule. Eine Schule also, die eine Betreuung, Beschäftigung und leistungsgerechte Förderung der Schüler über den normalen Stundenplan hinaus, auch am Nachmittag, ermöglicht.
Heute steht zum Beispiel Schach auf dem Plan. Konzentriert beugen sich Max Rademacher, Philipp Maßloch und Sebastian Armann über das schwarz-weiße Spielbrett. Mucksmäuschenstill ist es in dem Raum, die Köpfe rauchen beinahe vor Anstrengung. "Die drei legen gerade ihr Bauerndiplom ab", erklärt Franziska Hippe flüsternd, während Max sich über einen gelungenen Zug freut. Die Schülerin der 13. Klasse unterrichtet die jungen Schachspieler und ist schon ganz zufrieden mit ihnen. Normalerweise sitzen in ihrer Stunde noch ein paar mehr Eleven. Doch die sechsten Klassen sind heute ins Kino gegangen, da hat Schach einfach keine Chance.

Zwerchfell-Training

Etwas stärker gefüllt ist hingegen der Raum, in dem der Chor probt. Winterliche Lieder begleitet von Gitarrenklängen erfüllen den Raum. "Noch müssen wir etwas an der Stimmbildung arbeiten", meint Musiklehrerin Kerstin Siewert. Nun, sie muss es wissen, doch für den Laien klingt der Gesang schon ziemlich ausgereift. Und bewiesen haben sich die Stimmen bereits mehrfach. "Bei allen Festlichkeiten des Gymnasiums treten wir auf, und auch außerhalb der Schulmauern haben wir schon unser Programm präsentiert", sagt Kerstin Siewert nicht ganz ohne Stolz. Und ohne lange inne zu halten, geht es schon weiter mit den Proben, Zwerchfell-Training ist angesagt. Ganz andere Dinge beschäftigen derweil den Kunstlehrer Ralf Manteufel im Raum nebenan. "Denkt daran: Die Farbe geht nicht mehr aus den Klamotten raus", warnt er seine malbegeisterten Schüler. "Schloss am See" heißt das heutige Projekt, bei dem mit ganz speziellen Farben und auf einem großen Papierformat gearbeitet wird. "Die Kinder haben hier einfach mal die Möglichkeit, das auszuprobieren, wozu im Unterricht der Freiraum fehlt", erklärt der Lehrer. Quer durch den Gemüsegarten würden deswegen in der Nachmittagsstunde alle denkbaren Stilrichtungen und Techniken ausprobiert.
Wie zur Bestätigung beginnt Sebastian Schmidt aus der sechsten Klasse mit vollem Elan, die gelbe Farbe mit einem Schwamm auf sein Papier aufzutragen. "Den Film, den die anderen sich heute im Kino anschauen, habe ich schon gesehen. Bevor ich mir den noch einmal angucke, komme ich lieber hierher", begründet er sein einsames Streiten inmitten der anderen Klassenstufen.

Anders als geplant

"Angedacht war das erweiterte Angebot der Ganztagsschule zunächst nur für die fünften und sechsten Klassen. In den kommenden Jahren sollten jeweils immer zwei neue Klassenstufen hinzukommen", erklärt Lehrerin Renate Gielow. Sie betreut das ganze Unterfangen seit der Antragstellung der Schulkonferenz an das Kultusministerium. Doch dieser eingeschränkte Plan wurde hinfällig, denn alle Schüler, auch die der Oberstufe, waren begeistert von dem Angebot und wollten es ebenfalls wahrnehmen. Dank der umfassenden Unterstützung des Torgelower Bildungs- und Qualifizierzungszentrums konnten diese Wünsche erfüllt, das Programm sogar noch erweitert werden.

Denn vom Kultusministerium wurden der Schule zwar zusätzlich sieben Unterrichtsstunden für die Lehrkräfte genehmigt, aber die hätten für das jetzige umfassende Angebot kaum ausgereicht. "Das ist unser erster Versuch, etwas derartiges wie die ganztägige Beschäftigung an der Schule auf die Beine zu stellen, und es hat zu 99,9 Prozent geklappt", freut sich daher Renate Gielow. Und auch wenn der ein oder andere die ganze Sache für gar nicht so neu hält, da starke Ähnlichkeiten mit den Arbeitsgemeinschaften zu DDR-Zeiten bestehen. Den Schülern des Kopernikus-Gymnasium ist es sicher egal, ob neu oder nicht. Eine Bereicherung ist es für sie auf alle Fälle, da ist sich Renate Gielow sicher.

aktualisiert am 16.01.02 © Nordkurier-Online 1999-2001